Düsseldorf, den 14. Januar 2019 (pri). Wohnraum in NRW ist Mangelware und schon jetzt für viele Menschen unbezahlbar. „Und was tut unsere Landesregierung? Sie plant heimlich, still und leise, wichtige Regelungen zum Schutz der Mieterinnen und Mieter zu streichen. Das darf nicht passieren“, so Hans-Jochem Witzke, Sprecher des neu gegründeten NRW-Bündnisses „Wir wollen wohnen!“ und Vorsitzender des Deutschen Mieterbundes NRW. Insgesamt acht Organisationen, darunter der Deutsche Mieterbund, Wohlfahrts- und Sozialverbände und der Deutsche Gewerkschaftsbund, haben heute in Düsseldorf ein gemeinsames Forderungspapier vorgelegt.Um den Forderungen nach mehr bezahlbarem Wohnraum gegenüber Land und Kommunen Gehör zu verschaffen, sind neben einer Petition an die Landesregierung auch örtliche Bündnis-Aktivitäten geplant.
Bislang schützen rechtliche Regelungen in NRW vor:
- überzogenen Mieten bei der Wiedervermietung oder im laufenden Vertrag,
-dem Verlust von Mietwohnungen durch die Umwandlung in Eigentumswohnungen,
- Eigenbedarfskündigung nach Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen,
- der Zweckentfremdung von Wohnraum durch gezielten Leerstand, gewerbliche Nutzung oder Airbnb-Vermietung.
Doch die Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, diese ersatzlos auslaufenzu lassen oder abzuschaffen. „Das können und wollen wir nicht hinnehmen“, so Witzke. „Wirrufen alle Bürgerinnen und Bürger auf, gemeinsam mit uns für ihre Rechte zu streiten. JedeUnterschrift zählt!“ Bereits jetzt kann die Petition im Internet gezeichnet werden unter:https://weact.campact.de/petitions/wir-wollen-wohnen. In den nächsten Monaten wird dasBündnis auch vor Ort klassische Unterschriftenlisten auslegen.
Neben dem Erhalt und dem Ausbau des Mieterschutzes fordert das Bündnis die Errichtungvon mehr bezahlbarem Wohnraum. „Laut Wohnungsmarktbericht der "NRW BANK" werdenjährlich rund 80.000 neue und vor allem bezahlbare Wohnungen benötigt“, erklärt
Dr. SabineGraf, Stellvertretende Vorsitzende DGB NRW. „Im Jahr 2017 waren es aber gerade einmalrund 48.000. Um diese Lücke zu schließen, ist eine deutlich höhere öffentlicheWohnraumförderung notwendig. Das Land muss hierfür eigene Haushaltsmittel bereitstellen.
Zudem kann eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft ein perspektivisches Instrumentsein. Der Markt wird es leider nicht richten, das haben die vergangenen Jahre deutlich gezeigt.“
Bleiben diese notwendigen Maßnahmen aus, werden auch für normalverdienende Mieterinnenund Mieter viele Städte und mittlerweile auch das Umland in NRW zunehmend unbezahlbar.„Bei immer mehr Haushalten wird dadurch die kritische Grenze von 30 Prozent des
Haushalteinkommens für die Wohnkosten überschritten. Armut in einem reichen Land ist nichtselten die Folge“, so Christian Woltering, Landesgeschäftsführer des ParitätischenWohlfahrtsverbandes NRW. „Und hier ist die Rede von Normalverdienern. Arme Menschen
haben noch schlechtere Karten, nicht umsonst ist die Zahl der Wohnungslosen in NRW in denletzten Jahren massiv angestiegen. Auch für Menschen mit Behinderung sieht es düster aus– barrierefreier Wohnraum ist kaum zu finden.“
Daher fordert das Bündnis auch die Kommunen auf, sich ihrer Verantwortung zu stellen undsich an der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu beteiligen. Städtische Grundstückedürften nicht länger zu Höchstpreisen angeboten werden, denn auch hohe Grundstückspreisewirken sich auf die Mieten aus, so eine der Forderungen des Bündnisses. Ein Lösungsansatzist die Schaffung von mehr öffentlich gefördertem Wohnraum mit sozialer Zweckbindung. Unddazu können insbesondere die kommunalen Wohnungsunternehmen beitragen.
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Zahlen und Fakten
Derzeitige Situation auf den Wohnungsmärkten in NRW:
- Nettokaltmieten steigen in NRW in fast allen Märkten. Die Neubaumieten
sind in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt um 40 Prozent
oder um 2,79 Euro auf 9,78 €/m²
gestiegen. In besonders angespannten Märkten ist die Steigerung noch viel drastischer.
- Bei immer mehr Haushalten wird durch steigende Mieten die kritische Grenze von 30 Prozent des Haushaltseinkommens
für Wohnkosten überschritten. Viele wenden 40, 50 und mehr Prozent alleine fürs Wohnen auf. Experten warnen vor zunehmender Armutsbedrohung.
- Ein Ergebnis dieser Entwicklung: Steigende Zahl von Wohnungslosen. Nach Angaben des Sozialministeriums NRW gab es Mitte 2017 insgesamt 32.300 Menschen, die wohnungslos
waren. Dies ist eine Zunahme im Vergleich zum Vorjahr um fast 30 Prozent. Tendenz seit mehreren Jahren steigend.
Tatsächlicher Bedarf:- 80.000 Wohnungen müssten jährlich errichtet werden; um den Bedarf in NRW zu decken; derzeit
werden rund 48.000 Wohnungen im Jahr fertiggestellt.
- Preisgebundener Wohnungsbestand nimmt weiter ab. Ende 2017 gab es in NRW noch rund 460.000 öffentlich-geförderte Wohnungen. Würden keine weiteren Sozialwohnungen mehr errichtet, so würde der Bestand aufgrund des Auslaufens der Sozialbindungen bis zum Jahr 2030 nach Berechnung der NRW.BANK um 36,8 Prozent auf 291.000 Wohnungen schrumpfen.
- Lediglich zwischen 7.000 und 10.000 öffentlich geförderte Wohnungen werden derzeit jährlich neu gebaut. Das „NRW Bündnis: Wir wollen wohnen!“ geht davon aus, dass mindestens doppelt so viele, also rund 20.000 Wohnungen erforderlich
wären, um allein den Wegfall durch Auslaufen der Preisbindung abzufangen und darüber hinaus den wachsenden Bedarf an bezahlbarem Wohnraum zu decken.
- Im Jahr 2017 wurde ein Fördervolumen von 810 Millionen Euro für die Errichtung von 7.230 Mietwohnungen und Wohnheimplätzen verausgabt. Um das Ziel von 20.000 Wohnungen zu erreichen, bräuchte man das 2,8-fache des derzeitigen Budgets. Also allein 2,2 Milliarden Euro für die Mietraumförderung.
Forderungen
Mieterschutz erhalten und stärken
Die Verordnungen und Gesetze des Landes Nordrhein-Westfalen, die dem Schutz der Mieterinnen und Mieter dienen, müssen erhalten und verbessert werden. Keinesfalls dürfensie ersatzlos auslaufen bzw. abgeschafft werden, so wie es der Koalitionsvertrag von CDU
und FDP in NRW vorsieht.
Betroffen sind:
- Mietpreisbegrenzungsverordnung
(Voraussetzung für die Anwendung der „Mietpreisbremse“) - Schutz vor überzogenen Mieten bei Anmietung einer Wohnung (läuft am 30.06.2020 aus). Dann gibt es in NRW keine Mietpreisbremse mehr, obwohl diese gerade auf Bundesebene
verschärft wurde!
- Kappungsgrenzenverordnung
(Voraussetzung für die Geltung einer abgesenkten Kappungsgrenze) - Schutz vorüberzogenen Mieterhöhungen im laufenden Mietvertrag (läuft am 31.05.2019 aus)- Kündigungssperrfristverordnung
Erweiterter Schutz für Mieterinnen und Mieter gegen Eigenbedarfskündigungen nachder Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen (läuft am 31.12.2021 aus)Schutz der Mieterinnen und Mieter bei Umwandlung der Miet- in Eigentumswohnungen(läuft am 27.03.2020 aus)- Regelung über die Zweckentfremdung von Wohnraum aus dem Wohnungsaufsichtsgesetz
Kommunale Handlungsgrundlage v.a. gegen den Verlust von Wohnraum durchLeerstand, Abriss oder Umnutzung (z.B. für Gewerbezwecke oder Nutzung alsFerienwohnung „Airbnb“)
Mehr öffentlich geförderter Wohnraum- Schwerpunkt beim Mietwohnungsbau. Keine Eigentumsförderung zu Lasten des Mietwohnungsbaus.
Keine Förderung des Erwerbs bereits gebauter und gar von Mietin Eigentumswohnungen umgewandelter Bestände aus Mitteln des Wohnungsbaus! - CDU und FDP in NRW müssen auch aus dem Landesetat eigene Mittel
bereitstellen.
- Die 1,1 Milliarden Euro der Wohnungsbauförderung, mit denen sich die Regierung brüstet, stammen lediglich vom Bund und aus dem revolvierenden Landesbauvermögen, das die NRW.BANK verwaltet.
- Erhöhung des Fördervolumens
auf einen Betrag, der langfristig eine ausreichendeZahl preisgebundener Wohnungen ermöglicht.
- Längere bzw. dauerhafte Mietpreis- und Belegungsbindungen.
- Förderkonditionen attraktiv gestalten
unter Beibehaltung der Tilgungsverzichte
im Mietwohnungsbau.
Nachhaltige und soziale WohnungswirtschaftEingesetzte Fördergelder müssen in diesem Sinne nachhaltig investiert werden.- (Wieder-) Einführung einer Wohnungsgemeinnützigkeit
mit unternehmensbezogenenFörderungen und unbefristeten Bindungen.
- Aufbau einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft
zur Schaffung von dauerhaftbezahlbarem Wohnraum unter gemeinnützigen Prinzipien.
- Einhaltung von Mindeststandards, wie z.B. Tarifbindung für die Beschäftigten
imWohnungsbau und der Wohnungsbewirtschaftung.
Kommunale Wohnungspolitik und kommunaler Wohnungsbau
Die Städte, Kreise und Gemeinden stehen ebenso wie das Land in der Verantwortung fürbezahlbares und sicheres Wohnen zu sorgen:
- Kommunale Wohnungsunternehmen
müssen wieder gestärkt
und auf den Erhaltsowie die Neuschaffung von preisgebundenem Wohnraum verpflichtet werden. IhreÜberschüsse müssen reinvestiert werden. Sie dienen nicht der Finanzierungkommunaler Haushalte.
- Die Kommunen müssen Modelle sozialgerechter Bodennutzung
entwickeln undanwenden, so dass bspw. bei Wohnbaumaßnahmen Quoten für geförderte bzw.preisgebundene Wohnungen angewandt werden. Es muss eine Abkehr vom Prinzip des Verkaufs zum Höchstpreis
geben. Ebenfalls müssen sie verstärkt dieInstrumente des Erbbaurechts und der Konzeptvergabe nutzen.
Angemessener Wohnraum für alleBeachtung unterschiedlicher Wohnraumbedarfe und Zugang aller Bevölkerungsgruppen zuangemessenem Wohnraum sicherstellen.- Errichtung von barrierefreien inklusive
rollstuhlgerechter Wohnungen.
- Unterstützungsangebote
bei der Suche nach geeignetem Wohnraum.
- Spezielle Programme zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit.
- Schlüssige Konzepte für die Berechnung der Kosten der Unterkunft. Es sind Mietenanzuerkennen, die auch den realen Verfügbarkeiten auf den Wohnungsmärktenentsprechen.
- Bau ausreichenden Wohnraums für Auszubildende und Studierende.
Editorial
VdK unterstützt Wohnungspolitische Kampagne „Wir wollen wohnen!“
Da gerade viele VdK-Mitglieder von steigenden Mieten und Benachteiligung am Wohnungsmarkt betroffen sind, beteiligt sich auch der VdK an die vom Deutschen Mieterbund NRW ins Leben gerufene wohnungspolitische Kampagne "Wir wollen wohnen!". Letztendlich ist Wohnungspolitik ja auch Sozialpolitik!
Die Kampagne richtet sich insbesondere gegen die Pläne der Landesregierung, vier wichtige Verordnungen zum Schutz der Mieterinnen und Mieter auslaufen zu lassen. Außerdem fordern wir mehr bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum. Das Bündnis setzt sich neben dem Mieterbund zusammen aus dem Deutschen Gewerkschaftsbund sowie Sozial- und Wohlfahrtsverbänden. Ziel ist es, über die aktuelle Situation am Wohnungsmarkt und die angestrebte Wohnungspolitik der Landesregierung zu informieren.