Schmerz
ist überlebenswichtig. Würde der Mensch keinen Schmerz empfinden, kann
er sogar daran sterben. Es gäbe kein Warnsignal, wenn er sich verletzt,
die Knochen bricht und z.B. eine Blinddarmentzündung bekäme. Was
beweist: Schmerz kann nicht nur schützen, sondern auch warnen.
Düsseldorf 23.03.2018 (pri).
In Deutschland leiden etwa 12 Millionen Menschen unter chronischen
Schmerzen. Nach wie vor werden viele Schmerz-Patienten nicht ausreichend
behandelt: Oft dauert es bis zu 10 Jahre, bis ein Schmerz-Patient in
einer spezialisierten Praxis oder Klinik behandelt wird. Mehr als
600.000 Patienten mit chronischen Schmerzen nehmen starke
Schmerzmedikamente. Nur etwa jeder 10. erhält tatsächlich die
erforderlichen Medikamente.
Wie
man Schmerzen definiert und was man dagegen tun kann, waren einige der
wichtigsten Fragen zum Thema "Schmerzen im Alter" der letzten Sitzung
des Seniorenrates der Landeshauptstadt Düsseldorf
.
Um diese und viele andere Fragen beantworten zu lassen, luden die Seniorenratsmitglieder unter dem Vorsitz von Gregor Jungbluth
den Mediziner Dr. Ralf Rassmann
zur Sitzung ein. Der Allgemeinmediziner praktiziert in einer
Gemeinschaftspraxis in Kaiserswerth auch in den Bereichen
Schmerztherapie und Sportmedizin.
Dr.
Rassmann definiert Schmerzen als ein unangenehmes Sinnes- und
Gefühlserlebnis. Schmerzen sind grundsätzlich sehr sinnvoll: Sie dienen
als biologischer Alarm, als Warnruf des Körpers. Bei akutem Schmerz löst
ein äußerer Reiz, etwa eine Gewebeverletzung, Signale aus, die über
Nervenverbindungen zum Gehirn gelangen. Dort rufen sie die subjektive
Schmerzwahrnehmung hervor. Sie soll vor allem verhindern, dass wir uns
noch mehr verletzen.
Woran ich meinen Schmerz erkenne, ist für den Mediziner eine der Fragen, die in seiner Praxis
immer wieder auftauchen und für ihn einfach zu beantworten ist. „Wenn
ein Patient sagt, er habe Schmerzen, dann empfinde er sie auch. Darum
hat der Patient immer recht. Ich kann einem Patienten, der über
Schmerzen in meiner Praxis klagt, nicht entgegnen, das kann nicht sein.
Vielmehr muss nach der Ursache eines Schmerzes geforscht werden. Da
nicht immer offensichtlich ist, was den Schmerz verursacht, muss nicht
selten in detektivischer Kleinarbeit die Ursache gefunden werden“ so
Rassmann.
Schmerzmessung:
Eines
der wichtigsten Instrumente ist die Messung per Skala – also die
Bestimmung durch die vom Patienten empfundenen Stärke seines Schmerzes.
Da gibt es die numerische Schmerzskala
0-10 und die bildlich dargestellte „Smileys“ Skala für Kinder.
Dabei
sei jedoch zu beachten, dass jeder Schmerz sehr individuell ist; soll
heißen, dass der Patient, der seinen Schmerz auf der Skala bei 3 sieht
ohne weiteres tatsächlich sogar bei 7 oder liegen kann. „Die Skala dient
in erster Linie dazu, ein Verlaufsurteil - was hatte ich vorher und wie
groß ist der Schmerz jetzt - abzugeben. Durch die regelmäßige
Schmerzmessung wird die Schmerztherapie ständig den individuellen
Bedürfnissen des Patienten angepasst. So wird verhindert, dass der
Schmerz dauerhaft (chronisch) wird. Gleichermaßen ist das Führen eines Schmerztagebuches
wichtig, um den Schmerzverlauf besser beurteilen und beeinflussen zu können.
„Die Behandlungen von Schmerzen sind so vielseitig wie die Arten von Schmerzen
.
Über Kopfschmerzen und Migräne Schmerzen bis Phantomschmerzen und
schweren chronischen Schmerzen und vieles mehr. Doch für alle Arten
gelte, sich dem Schmerz nicht einfach hinzugeben, sondern ihn nach
Möglichkeit wieder loszuwerden oder zumindest abzumildern“ so der
Schmerzmediziner. Schon eine positive Einstellung des Patienten kann oft
helfen.
Zwar
ginge dadurch nicht jeder Schmerz einfach weg, jedoch sei z. B. die
Hinwendung darauf, was man trotz seines Schmerzes noch alles machen
kann, besser als darüber nachzudenken, was man nicht mehr kann. Auch
solle man sich nach Möglichkeit viel bewegen und sich zum Beispiel
Ablenkung verschaffen, um dem Schmerz keine Hauptrolle einnehmen zu
lassen.
Schmerz wegnehmen, bevor er entstehen kann
„Natürlich
müssen Schmerzen auch mit Medikamenten behandelt werden. Nicht selten
sogar mit Opioide und Morphinen“. Hier rät Dr. Rassmann in jedem Fall,
die Form der Tablette zu bevorzugen. Oft würden Spritzen verabreicht,
die immer mehr an Bedeutung verlieren, weil es die Patienten
ortsabhängig mache und sie darauf angewiesen, dass immer ein Arzt in der
Nähe ist, der sie verabreicht. Daher sei es unabdinglich seine
Schmerzen selbst zu managen.
Dazu
gehöre auch selbstverantwortlich mit den Schmerzmitteln umzugehen. Wer
in der Regel im Acht-Stunden-Rythmus seine Schmerzmedikation einnehme,
jedoch schon nach sechs Stunden starke Schmerzen verspüre, könne das
Medikament auch früher einnehmen. In jedem Fall solle man durch den Arzt
auch feststellen lassen, ob man überhaupt auch richtig eingestellt ist.
Als oberste Maxime gelte es, den Schmerz wegnehmen, bevor er entstehen
kann.
Morphine nicht immer der beste Weg
Leider nimmt Morphium nicht bei jedem den Schmerz weg. Das belege zum Beispiel die Number
needed to treat (NNT
(Die
Anzahl von Patienten, die behandelt werden müssen, um eine
entsprechende Wirksamkeit zu erhalten). Morphium liegt dabei an dritter
Stelle. Soll heißen, dass von drei mit Morphium behandelten Patienten
nur einer profitiert.
Aber Opioide
und Morphide sind glücklicherweise nicht die letze Möglichkeit. Welche
jedoch für den Schmerzpatienten die berste ist, sollte immer erst
abgeklärt werden.
Mittlerweile
gibt es auch ein Verfahren der gezielten Nervenstimulation zur
Schmerzbehandlung an einzelnen Nervenwurzeln, die für die
Schmerzweiterleitung verantwortlich sind. Es nennt sich spinale
Ganglionstimulation, wobei eine dünne Elektrode die Nervenfasern präzise
dort stimuliert, wo Schmerzen aus den verschiedensten Körperregionen in
das Rückenmark gelangen und von dort ihre quälenden Signale in das
Gehirn senden. Vorteil: keine oder geringe Nebenwirkungen.
Auf
die terminale Sedierung mochte Rassmann jedoch nicht weiter eingehen.
„Diese wird in der Palliativmedizin angewendet - auch palliative
Sedierung genannt. Das kämme bei den allermeisten hier jedoch ohnehin
nicht infrage, weil ich davon ausgehe, dass Sie ja alle weiter am leben
teilnehmen wollen“, sagt Rassmann.
Beipackzettel verhindert Akzeptanz
„Alle
kennen diese ellenlangen Beipackzetteln, die den Patienten mehr
verwirren, und unleserlich klein bedruckt sind. Oft verleiten sie mit
ihren schrecklichen Nebenwirkungen dazu, dass die Patienten das
verschriebene Medikament erst gar nicht einnehmen. Doch diese
Beipackzettel sind gesetzlich vorgeschrieben und eigentlich mehr
juristische Informationsblätter als medizinische. Wer nach dem lesen des
Beipackzettels unsicher ist, solle nicht eigenmächtig handeln, sondern
sich in jedem Fall an seinen Arzt wenden, rät Dr. Rassmann.
Nach
einem sehr interessanten und kurzweiligen Beitrag, an dem sich die
Seniorenratsmitglieder und Besucher rege beteiligten, beendete Dr.
Rassmann seinen Vortrag mit viel Applaus und fügte hinzu: „Es gibt noch
so viel zu sagen, was den Rahmen dieser Sitzung jedoch sprengen würde“.
Dennoch bat Rassmann die Anwesenden, einmal sitzend auf den Boden zu
schauen und mitzuteilen, was die sie sich dabei fühlten. Fast alle
empfanden es als eher unglücklich und unangenehm. Danach sollten sich
alle einmal von ihren Plätzen erheben und die Arme weit nach oben zu
strecken. Auf die Frage, was sie nun empfanden, waren die Antworten
durchweg positiv. Mit diesem kleinen Experiment wollte der Mediziner
einmal zeigen, dass auch die Haltung eine wichtige Rolle für einen
gesunden Geist und Körper spiele. Denn mit nach oben gestreckten Armen
und der richtigen Atmung läßt es sich nicht unglücklich sein - es ist
eine Sieger Pose, die man täglich - und so oft es geht - widerholen
solle.
Der Vorsitzende des Seniorenrates Gregor Jungbluth
bedankte sich bei Rassman für den tollen Beitrag und die stellvertretende Vorsitzende, Ulrike Schneider
fügte hinzu, dass sie diesen Vortrag genossen habe und freue, dass Dr.
Rassmann trotz seiner kurz bemessenen Zeit und seiner vielen Patienten
an einem Freitag der Einladung des Seniorenrates gefolgt sei. „Dieses
Thema lag mir besonders am Herzen, weil es insbesondere für unsere
Senioren wichtig ist, zu erfahren, wie man mit dem Schmerz umgehen kann
und wo man Hilfe bekommen kann.“
Über Dr. Ralf Rassmann:
Nach seiner Ausbildung zum Allgemeinmediziner an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf
,
praktizierte der 54-jährige zunächst am Bundeswehrkrankenhaus Koblenz
und in der Hausarztpraxis Dr. Huth in Willich, bevor er sich in seiner Praxis
seit 1998 in der Fliednerstraße in Kaiseswerth niederließ. Mit an Bord
sind Dr. Denise Frehen (Allgemeinmedizin und Gefäßchirurgie) und Seline
Spierzack (Innere Medizin und Gastroenterologie).
Hinweis: Informationen über Beipackzettel finden Sie unter: http://www.beipackzettel.de/
und bei der Patienteninfo-Service Website: https://www.patienteninfo-service.de/
Sie ermöglicht Patienten – ganz gleich ob blind oder sehend – einen
barrierefreien Zugriff auf die Packungsbeilagen von Medikamenten. Wichtige Infos über das Thema Schmerzen finden Sie auch bei der Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.
und bei Schmerzhilfe.de
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