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Rückenschmerzen: Wenn das Budget nicht mehr reicht 

p.ries • Feb. 04, 2019

Falsche Diagnosen und Begleiterkrankungen belasten das Gesundheitssystem zusätzlich

Schmerzen im Rücken – die kennt fast jeder. So geben auch 80 Prozent der Deutschen an, bereits mindestens einmal Rückenschmerzen gehabt zu haben. Was aber, wenn die Rückenschmerzen immer wiederkehren oder gar langfristig andauern? „garath-online“ sprach mit der 60-jährigen Frührentnerin Hertha B. aus Düsseldorf Garath.

Seit mehr als sieben Jahren plagen sie starke Rückenschmerzen. Und seit jener Zeit läuft sie bis heute von einem Arzt-Termin zum anderen. Niemand scheint ihr so richtig helfen zu können. Der eine Arzt meint, sie habe einen Bandscheibenvorfall, der nicht operiert werden müsse, oder sie leide an „funktionellen“ bzw. „unspezifischen“ Rückenschmerzen, der andere Arzt meint, sie leide an Fibromyalgie. „Eine Erkrankung, die nicht so richtig erklärt werden kann, jedoch gerne diagnostiziert wird, wenn die Ärzte nicht mehr weiterwissen“, klagt Hertha B. „Massagen werden nicht mehr aufgeschrieben, weil diese als Wellness eingestuft seien und die Krankenkassen sie deswegen auch nicht mehr zahlen würden“, sagte ihr ein Orthopäde aus Düsseldorf.

Dafür bekam sie von ihm jedoch Spritzen. Diese würden nur einmal im Quartal von den Kassen übernommen. Jede zusätzliche Spritze im Quartal müsse sie dann selbst bezahlen. Das Ergebnis nach den Spritzen war enttäuschend. So griff die Rentnerin zur Eigenmedikation; nahm zum Teil frei verkäufliche starke Schmerzmittel, um mindestens ihren Haushalt einigermaßen aufrechterhalten zu können. Später bekam sie ein schwaches Opioid. Davon wurde sie schließlich abhängig - bevor sie dann eine kostenintensive Entzugsbehandlung in einer Klinik über sich ergehen ließ. Nun leidet sie nicht nur an ihre alten Schmerzen, sondern auch noch an Depressionen. „Ich weiß bald nicht mehr weiter. Ich bin doch kein Mensch mehr und zu nichts mehr zu gebrauchen - eine einzige „Schmerzmaschine“, klagt sie etwas scherzhaft. Zwischenzeitlich wurden auch Besuche oder Einladungen zu Familienfesten immer weniger. „Meine drei Enkelinnen kommen mich auch nicht mehr besuchen. Was sollen sie auch mit Oma -die schmerzverzerrtem Gesicht herumläuft –anfangen“, so Hertha.

Zwischenzeitlich erhält sie Akupunkturen, die einmal im Jahr von den Kassen gezahlt werden. Aber auch hier gebe es bisher noch keinen nennenswerten Erfolg zu verzeichnen. „Ich höre immer von Privatpatienten, wie toll ihnen geholfen wird, aber als Kassenpatient bin ich offensichtlich unterste Kategorie in der Gesundheitsversorgung. Vieles, was mir vielleicht helfen könnte, bleibt für mich unerreichbar. Häufig bieten mir Ärzte sogenannte IGEL-Leistungen an, die ich mir ohnehin mit meiner Erwerbsminderungsrente von 700 Euro nicht leisten kann - und die ja sehr häufig fragwürdig sein sollen. Mittlerweile wurde mir wiederholt eine Kur (Reha) abgelehnt, weil ich erst die Möglichkeiten vor Ort ausschöpfen soll; wenn dies nichts gebracht hätte, könne ich eine erneute Kur beantragen. Was denn noch!? Ich habe doch schon alles versucht! Es half doch bis heute nix“, ärgert sich Herta B., die nun einen neuen Arzt sucht, der ihr vielleicht noch in diesem Leben helfen kann.

Diagnosen und Budget

Leider lassen sich bei chronischen Rückenschmerzen meist weder eine umschriebene Krankheit noch eine sichere anatomische Quelle als Ursache für den Schmerz finden. Die Betroffenen leiden unter Schmerzfolgen, die sich nicht nur auf körperliche Konsequenzen wie Bewegungseinschränkungen oder Muskelverspannung beschränken können. Auch Verunsicherung, Niedergeschlagenheit, Schlafprobleme, verminderte Leistungsfähigkeit, Verzicht auf Freizeitaktivitäten und Rückzug aus dem Bekannten- und Freundeskreis können weitere Folgen von chronischen Rückenschmerzen sein und zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität führen. Um so unverständlicher bleibt es, wieso chronische Schmerzpatienten immer noch Jahre bis Jahrzehnte mit Schmerzen leben müssen.

Die schmerzgeplagte Hertha B. weiß ein Lied darüber zu singen und glaubt zu wissen, dass es etwas mit dem Ärzte-Budget zu tun hat. So habe sie sich oft anhören müssen, dass eine bestimmte Behandlung das Budget ihres Arztes sprengen würde. Viele Arztpraxen würden deswegen sogar öfters als normal ihre Praxen schließen. Ihr letzter Orthopäde riet ihr sogar einmal, nicht mehr vor Ablauf des Quartals wieder in die Praxis zu kommen, da er dann ohnehin nichts mehr tun könne. Im nächsten Quartal könne sie jedoch wiederkommen. Begründung: Er bekäme keine adäquate Vergütung für den Mehraufwand zum Beispiel durch längere Patientengespräche. „So habe ich dann in meiner Not angefangen, meine Ärzte (ohne Überweisung) selbst zu wählen und wurde schließlich zu einer „chronischen Ärztewechslerin“ – genau das, was die Kassen eigentlich verhindern wollten, da dies ja das Gesundheitssystem unnötig belaste“, weiß die mittlerweile chronisch erkrankte Frührentnerin.

Wie Hertha B. meinen zwar auch die meisten Gesundheitspolitiker, dass unser Gesundheitssystem weniger belastet werden würde, wenn alle Patienten eine gute -auf ihre Grunderkrankungen ausgerichteten- Behandlung erführen, um letztlich kostenintensivere Mehrfacherkrankungen oder unnötige Rückenschulungen zu verhindern. Leider bleiben deren legislative Änderungsversprechen seit Jahrzehnten bis heute lediglich Lippenbekenntnisse.

Hertha wünscht sich nun schon seit Jahren, dass man ihr endlich eine Diagnose stellt, damit sie weiß, woran sie ist und dass man ihr endlich richtig hilft, damit sie wieder mit ihren Enkelinnen am Gesellschaftsleben teilnehmen kann. „Mit Rückenschulungen braucht mir auch niemand mehr zukommen - davon habe ich bereits einige, die nichts brachten. Wie soll ich auch einen Kasten Wasser aufheben, wenn ich mich nichtmal danach bücken kann“, meint sie. „Ich habe gehört, wenn starke Schmerzen unvermindert andauern, sollten ihre Ursachen ärztlich abgeklärt werden - ich warte immer noch darauf“, sagte Herta.B. mit Tränen in den Augen.

Einer Studie zufolge erhalten Rückenschmerz-Patienten oft eine Therapie, die ihnen nicht hilft. Gründe sind u. a. eine falsche Diagnose oder das Budget des Arztes. Denn ein Orthopäde erhält in Nordrhein etwa 29,43 Euro pro Patient im Alter von 6 bis 59 Jahren pro Quartal für die Behandlung eines Rückenschmerz-Patienten. Egal, wie oft er oder in diesen drei Monaten den Orthopäden aufsucht. Zudem stehen in ganz Deutschland einer wachsenden Zahl an Betroffenen etwa nur 300 Praxen zur Verfügung, die sich auf das Thema spezialisiert haben. Die Folge sind oft sehr lange Wartezeiten.

Dafür stehen Privatpatienten laut "EsFoMed" deutlich besser da. Denn deren Rechnungen sind durchschnittlich um das 2,3-fache höher als die der gesetzlich Versicherten. Ein Orthopäde kann deshalb laut Gebührenordnung von einem Privatpatienten 46,16 Euro verbuchen. Niemand fragt danach, ob die vom Arzt verschriebenen Maßnahmen für einen Privatpatienten nötig waren oder nicht -beim Kassenpatienten sehr wohl.

Leitlinien sollen es richten

Seit 2011 gibt es das „Programm für Nationale Versorgungsleitlinien (NVL Kreuzschmerz)“, das von der Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften entwickelt wurde. Leider finden die dort bezeichneten Leitlinien bei den meisten Ärzten eher selten bis keine adequate - auf den Einzelfall gerichtete - Anwendung. Oft und gerne werden jedoch Rückenschulungen angeboten, bei denen man ein sogenanntes rückengerechtes Verhalten und gezielte Übungen zur Entspannung und Stärkung der Muskulatur erlernen soll. Sinn machen diese Schulungen jedoch erst, wenn der Patient keine starken Schmerzen hat – was wieder eine sorgfältige Diagnostik und schmerzreduzierende Vorbehandlung voraussetzt. Diese fehlt jedoch – wie im Beispiel von Hertha B. - nur zu häufig. Leitlinen unter: www.leitlinien.de

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