GARATH | 30 Jahre war Michael Haas im Vorstand des Garather Schützenvereins aktiv, neun Jahre hielt er als 1. Vorsitzender die Geschicke des Brauchtums im Stadtteil in der Hand. Nun zieht sich der 59-Jährige zurück, hat die Geschäfte an seinen bisherigen Vize Horst Schlotter übergeben. Als aktiver Schütze steht Haas seinem Nachfolger weiterhin mit Rat und Tat zur Seite – nur den Stress des Amtes, den will er nicht mehr haben.
„Meine Tochter ist inzwischen 30, und ich gebe zu, dass das Familienleben hin und wieder hinter meiner Rolle als Schützenchef zurückstehen musste“, sagt Haas. Inzwischen hat er zwei Enkel, für die er jetzt viel Zeit aufwenden will.
Er trete mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück, gibt Haas zu. „In meinem Alltag fehlt etwas, aber es ist auch schön, dass es fehlt“, sagt er. Zudem wisse er den Verein bei Horst Schlotter in guten Händen. Für den Nachfolger ist die Umstellung keine große. „Ich kenne die Vorstandsarbeit, und da wir an der Spitze des Vereins als Team arbeiten, haben sich lediglich meine Aufgabenbereiche verschoben“, sagt der 55-jährige Speditionskaufmann. Dennoch habe er seit Haas’ Rücktritt entdeckt, was alles im Hintergrund abläuft. „Das Ganze neben dem Job zu erledigen ist oft nicht so einfach, da kommt der Schlaf manchmal zu kurz“, scherzt Schlotter.
Er ist bereits seit seiner Jugend im Verein, hat gemeinsam mit seiner Schwester im Spielmannszug angefangen. Anders als sein Vorgänger Michael Haas stammt Schlotter jedoch nicht aus einer Schützenfamilie. Beide Männer sind seit Ende der 1970er Jahre im Garather Sommerbrauchtum aktiv, haben sich die Ämterliste im Verein hochgearbeitet. In dieser Zeit haben sie auch einige Veränderungen im Verein wahrgenommen.
„Alle Vereine haben es in den letzten Jahren immer schwerer“, sagt Schlotter. Das Internet sowie zahlreiche Alternativen in der Freizeit würden für einen merklichen Mitgliederschwund sorgen. „In den 1970er Jahren waren quasi alle im Schützenverein, heute ist es eher die Ausnahme, wenn man ein Herz fürs Brauchtum hat“, so Haas. Dennoch sei der Garather Verein noch sehr gesund. „Wir haben 70 Jungschützen, vor allem in den Tanz- und Musikgruppen. Insgesamt hat der Verein noch gut 200 Mitglieder“, sagt Schlotter. „235, um genau zu sein“, ergänzt Michael Haas.
Der neue Chef hat keine großen Veränderungen im Jahresablauf der Schützen geplant. „Traditionen wie das Osterfeuer, zu dem wir jedes Jahr 1500 Zuschauer begrüßen, aber auch der Martinszug, das Adventskonzert und natürlich unsere Kirmes müssen erhalten bleiben“, sagt der neue Chef.
In Garath, darin sind sich die beiden Schützen einig, gebe es noch immer ein großes Interesse an ihrer Vereinsarbeit. „Die Bürger kommen zu unseren Veranstaltungen, und die Vereine nehmen bei der Terminwahl Rücksicht aufeinander“, sagt Haas. Das sei in den vergangenen Jahrzehnten nicht immer so gewesen. Was Schlotter besonders freut, ist, dass auch Menschen aus anderen Kulturkreisen sich für das „typisch deutsche“ Schützenwesen begeistern. 2019 konnte der Verein seinen ersten türkischen Bürgerkönig krönen. „Wir haben inzwischen die verschiedensten Nationalitäten in unseren Gruppen vertreten, und wir sind offen für jeden, der sich uns anschließen will und unsere Werte teilt“, so der neu gewählte Schützenchef. Gleichzeitig sei der Verein mit seiner öffentlichen Präsenz bei den von ihm organisierten Festen ein Instrument, um Menschen aus ihrer Isolation zu locken und für das Miteinander in Garath zu begeistern.
Dafür, so hat sich Schlotter vorgenommen, will er sich neben seinem Job „von sieben bis sieben, meistens in Gelsenkirchen“, einsetzen. „Da werden bestimmt einige Termine auf die Abendstunden und das Wochenende verlegt werden müssen – oder auch mal in die Mittagspause.“ Noch halte sich die Termindichte in Grenzen, zum Sommer hin werde der Job als Schützenchef immer zeitaufwändiger. Auf den Feiern befreundeter Vereine werde die Anwesenheit oft bis in die Nacht erwartet. „Dann rechtzeitig morgens zur Arbeit aufzubrechen, ist hartes Training“, sagt Horst Schlotter und lacht. „Aber es macht Spaß, und die Arbeit ist wichtig für den Verein und den Stadtteil“, stellt er klar.
Horst Schlotter ist als Vereinsvorsitzender auf drei Jahre gewählt, eine längere Amtszeit ist möglich. „Bisher hatte der Verein erst fünf Vorsitzende, und er ist immerhin schon über 50 Jahre alt“, so Schlotter. „52 Jahre“, stellt Michael Haas richtig. Nach 30 Jahren im Vorstand kennt er den Schützenverein in- und auswendig. Und so ganz schafft der 59-Jährige den Absprung dann doch nicht: „Ich werde weiterhin unsere Schützenzeitung betreuen“, kündigt er an. Einmal im Jahr erscheint das Druckwerk im Vorfeld des Schützenfestes, über 100 Seiten, rund 100 Arbeitsstunden – also weiterhin einiges zu tun für Michael Haas, der verspricht, dem Verein erhalten zu bleiben, so lange es ihm möglich sei.
Quelle: RP